Winterdienst im Schüttelbild

Filomeno Fusco und Victor Kégli
Performance und Installation

- Baltic Raw / Open Museum, Plateau der Hamburger Kunsthalle 2012

- Red Stripe Gallery / Laden für Nichts, Leipzig 2006/2007

(Fotos Leipzig: Sarah Thußbas)

Text von Katrin Diederichs

Ein Schaukasten der Kuriositäten: Hinter Glas sitzt ein Künstler untätig auf einem Stuhl im Schnee und wartet. Sobald die Vorübergehenden einen Euro in den Münzautomaten werfen, beginnt er in seinem abgeschlossenen Raum den Winterdienst zu verrichten. Künstliche Schneeflocken werden durch die Luft geblasen, streben gegen die Glasscheibe, fallen nieder. Die Szenerie wird für eine kurze Dauer lebendig, beinahe stürmisch. Der Akteur ist umgeben von einer Wolke konzentrierter Künstlichkeit, die im selben Moment, in der sie die minimalistische Strenge ihrer Umgebung bricht, wieder in ihre Bestandteile verfällt. Von außen ist die Szene unberührbar – nur die Bereitschaft, Geld in den Münzautomaten einzuwerfen lässt den Betrachter darauf Einfluss nehmen, ob und wie lange der Künstler arbeiten kann.

Victor Kégli und Filomeno Fusco zeigen mit Winterdienst im Schüttelbild (Ein-Euro-Jobber) eine Rauminstallation, die in erster Linie auf der Interaktion zwischen den Geldgebern und dem Künstler basiert. Der Akteur im Kubus wird dabei zum scheinbar ewig Abhängigen – abhängig von Zeit, Interesse und Zahlungsbereitschaft seiner Beobachter. Solange der Mechanismus im Automaten ausgelöst wird, muss er immer wieder aufs Neue seiner künstlichen und monotonen Aufgabe nachgehen.

Die performative Installation wurde erstmals 2006 in der Red Stripe Gallery/Laden für Nichts in Leipzig gezeigt. Und das zu einer Zeit, in der die öffentliche Diskussion über Sinn und Notwendigkeit der „Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung“ – kurz Ein-Euro-Job – in aller Munde war. Die Beschäftigungsmaßnahme war 2005 im Rahmen der Hartz-IV-Reform mit dem Ziel eingeführt worden, Langzeitarbeitslose an den sogenannten „Ersten Arbeitsmarkt“ heranzuführen. Eine Zielsetzung, deren Gelingen seither oftmals von Medien und Wissenschaft angezweifelt oder gar negiert wurde. Auch, weil viele dieser „Brückenjobs“ eher mit stumpfsinniger als mit sinnstiftender Arbeit in Verbindung zu stehen scheinen.

Doch ist Winterdienst im Schüttelbild nicht bloß als symbolische Existenzrettung eines Künstler zu verstehen – mit viel subtiler Ironie reflektieren Fusco und Kégli hier das Verhältnis zwischen Subjekt und Objekt, Gesellschaft und Außenseitern, Mäzenaten- und Künstlertum. Dabei wird stets eine Trennung von „Innen“ und „Außen“ sichtbar, die sich in letzter Instanz nicht überwinden lässt. Mit seiner Geldspende wirkt der Zuschauer zwar indirekt an der Gestaltung des Winterdienstes mit, jedoch ohne den Handlungsablauf genau zu bestimmen oder selbst aktiv eingreifen zu können.

Vergleiche zur miniaturisierten Welt der Schnee- oder Traumkugeln lassen sich dementsprechend nicht nur im Titel dieser Arbeit finden. Mit seiner Fixierung zwischen Bewegung und Stillstand, Entblößung und Unberührbarkeit ist das Schneegestöber im Glaskubus den winzigen Traumlandschaften der Souvenirläden ähnlich. Mit Hilfe dieser handgefertigten Spielzeuge lässt sich ein Ort, eine Landschaft oder eine visualisierte Thematik buchstäblich ergreifen. Nach kräftigem Schütteln sinken die künstlichen Schneeflocken aus Reis, Konfetti oder Polystyrol wieder auf den Grund ihrer verschlossenen Welt zurück. Was bleibt ist die Erinnerung an einen Moment, in dem Kunst- und Außenwelt sich treffen, aufeinander reagieren, um alsbald wieder auseinander zu gehen.

Eine Dynamik, die auch bei Winterdienst im Schüttelbild nicht unterbrochen wird. Und so wartet der Akteur weiter auf seinen Auftritt – immer zwischen Passivität und Aktion, Ignoranz und Aufmerksamkeit, Kunst und Leben.