Eröffnung demnächst

Installation 2008/2009
Kunst im öffentlichen Raum
Hamburg, St. Pauli

Stipendium der Stadt Hamburg

Fotos: Martin Kunze

Manchmal muss Kunst lügen, wenn sie ihre volle Wirkungskraft erreichen will. Zum Beispiel, wenn es gilt, in den langsamen Fluss städtischer Umwandlung ein Zeichen der Aufmerksamkeit zu platzieren, das diese Veränderungen schlagartig bewusst macht. Und dieses Zeichen ist umso wirkungsvoller, je eleganter es mit Täuschung Ungläubigkeit provoziert. Genau das ist Filomeno Fusco mit seiner „Versace“- Installation in Hamburg St. Pauli gelungen. Die mit Brettern vernagelte Fassade in der Clemens-Schultz-Straße, über der auf Pseudomarmor der weltbekannte Schriftzug der Mailänder Modefirma prangte, provozierte deswegen soviel Ärger und Zerstörungswut, weil die Menschen es für vorstellbar hielten, dass nun auch Luxusmarken in das Rotlicht-, Studenten- und Künstlerviertel ziehen. In dem als Gentrification bekannten Prozess erschien die Ankündigung eines Top-Mode-Ladens wie ein bedrohlicher Infektionsherd, der den schleichenden Tod der kulturellen Artenvielfalt ankündigte. Die Reaktionen waren Absicht und Teil des Kunstwerks.

In kürzester Zeit beschmierten Passanten die Spanplatten mit Sprüchen wie „Dönerteller statt Donatella“ und Drohungen wie „Seid ihr gut versichert?“, auf Twitter und anderen Internetforen dikutierten Menschen die Erscheinung, die lokalen Medien berichteten ausfürlich über Versace in St. Pauli. Jene, die auf den Fake hereinfielen, etwa ein Reporter der New York Times, der die „Eröffnung“ als Zeichen der Veränderung in St. Pauli beschrieb, sorgten ebenso für die Wirksamkeit der Installation wie die vielen, die nach kurzer Irritation doch eher die Intention dieser Kunstaktion diskutierten. Eine Gruppe von Transvestiten plante eine Demonstration obwohl unklar blieb, ob selbige sich auf die anstehende Ladeneröffnung oder den Protest dagegen bezog. Ein Jahr später ist die Gentrification-Debatte in Hamburg voll entbrannt, die in dieser Kunstaktion vorweggenommen wurde. Mc-Donalds, Adidas, T-Mobile und Tim Mälzers Luxusrestaurant „Bullerei“ haben in St. Pauli Filomeno Fuscos Prophezeiung real werden lassen. Slumming ist schick, aber auch der Widerstand dagegen nimmt an Kraft zu. Um heute noch den gleichen Effekt wie damals zu erzielen, müsste vermutlich „Rolls Royce“ auf das Schild.

Till Briegleb