Mezzogiorno

Mixed Media Installation 2014
Einzelausstellung

Westwerk Hamburg

(Fotos: Martin Kunze)

Text von Katrin Diederichs

Eine Gesellschaft im Übergang – hier noch verwurzelt im romantischen Idyll, dort schon konfrontiert mit der Rückständigkeit eines Dorfes, eines Landstriches, einer ganzen Gegend (Süditalien). „Mezzogiorno“ von Filomeno Fusco setzt an einem Ort an, der im Zeitalter steter Urbanisierung und Beschleunigung zunächst als ein irdisches Arkadien anmutet. Nord-östlich von Neapel, in Mugnano del Cardinale, liegt der immergrüne Haselnusshain seiner Familie. Ein Stück Land, dessen eigentlicher Wert sich schwer bemessen lässt, die Einnahmen der Haselnussernte decken gerade die Erhaltungskosten des Areals. Das war vor einigen Jahren anders – hier sollte eine Umgehungsstraße gebaut, die Plantagen mit der Infrastruktur des Landes vernetzt werden und an der Stelle des Haselnussgartens eine Tankstelle entstehen. Die plötzliche, enorme Wertsteigerung des Grundstücks führte zu einem erbitterten Erbschaftsstreit, der immer wieder um den Verkauf oder Erhalt der Idylle kreiste.
Doch wie an vielen Orten in Italien wurde der Bau der Zufahrtsstraße nie fertiggestellt. Zwischen den Sträuchern, umsäumt von einer bergigen Landschaft, führt nun ein kilometerlanger Asphaltstreifen ins Leere. In der Nacht aber herrscht hier reger Verkehr. Anwohner beseitigen ihren Hausmüll entlang des Straßenrandes, Paare treffen sich im vermeintlichen Schutz ihrer Autos und entfliehen so dem strengen Katholizismus ihrer Elternhäuser. Es ist ein Ort am Ende der Welt – halb eingeholt von Transit und Globalisierung, stark verwurzelt in der Tradition von Kirche und Bauernarbeit.
Mit seiner Installation, die vom 18. September an zwei Wochen im Hamburger Westwerk zeigen wird, greift Fusco diesen Dreiklang aus süditalienischer Romantik, Fortschritt und Stillstand auf – und verbindet sie mit dem deutschen Alltag seines Vaters, der – als Folge der Erbstreitereien – nicht mehr in seine Heimat zurückkehren kann.
Dabei geht es weniger um ein Abarbeiten der Wirklichkeit oder die bildhafte Widergabe einer Sommerreise, sondern um ein Ausloten der Grenzen. Um den flüchtigen Moment einer Erfahrung. Einer surrealen Landschaft, die in ihrer Disfunktionalität künstlich erscheint, und dennoch kein Kunstwerk ist. Ein Umstand, den schon der amerikanische Bildhauer Tony Smith beschäftigte, als er Anfang der 50er Jahre einen unfertigen Highway in den USA entlang fuhr: „Es gibt keine Möglichkeit, diese Erfahrung einzurahmen, man muss sie einfach machen.“